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Blackfield: Welcome To My DNA (Review)

Artist:

Blackfield

Blackfield: Welcome To My DNA
Album:

Welcome To My DNA

Medium: CD
Stil:

Art Pop / Singer/Songwriter

Label: kscope
Spieldauer: 39:43
Erschienen: 28.03.2011
Website: [Link]

So viele Gefühle, so viel Schönheit, so viel Schmelz…woher kommt das bloß? Der Mensch findet keine Ruhe, bis er eine Antwort auf diese Frage hat. Deswegen, einer "III" anstatt: willkommen in der Desoxyribonukleinsäure von Aviv Geffen und Steven Wilson.

Von Titel wegen könnte man glatt auf die Idee kommen, BLACKFIELD werden noch puristischer, wühlen all den Ballast zur Seite und legen den Blick frei auf eine zum Sterben schöne Perlmuttkugel, ohne den ganzen Tand und die Schnörkel der Schale. Das Einfache noch einfacher machen und im Angesicht des Glanzes der simplen Wahrheit des "Songs", dieses schlichtesten und grundlegendsten aller Gefäße der Musik, vor Ehrfurcht erstarren.

Denkste. Es geht genau in die andere Richtung. Wer sagt denn auch, dass Schönheit aus der Unschuld entsteigen muss? Jetzt machen BLACKFIELD klar Schiff: "Welcome To My DNA" ist die Demontage der Harmonie und des Pathos. Wer in dem britisch-israelischen Projekt bislang ein Flaggschiff für den Song an sich gesehen hat, wird nun Zeuge, wie die Schiffskanonen den Lauf in den Himmel richten und mit Absicht ihren eigenen Bug treffen. "Here comes the blood", weinen Wilson und Geffen im anklagenden Chor beispielsweise, während folkloristische Töne in ungewohntes Terrain vorstoßen – und es besteht kein Zweifel, dass man uns mit den Massen an Blut ersäufen möchte. "Go to hell" ist dahingehend der absolute Höhepunkt: drei Sätze ("Fuck you all", "I don't care", "Go to hell"), die bei BLACKFIELD hässlicher klingen als jede Vokabel, die sich eine Porngrind-Truppe jemals ausdenken könnte. Sie werden bis zum Exzess wiederholt – keine Frage, das "Fuck" ist kein Ausrutscher, es ist ein Konzept.

BLACKFIELD sind immer ein Projekt gewesen, das man als eine Art Steven-Wilson-Gelegenheitsjob eingestuft hatte, gerade nach dem auf hohem Niveau stagnierenden Zweitwerk, und von der man nie etwas anderes erwartet hätte als weiterhin verlässliche Popnummern zum Glücklichheulen. Ihr plötzlicher Vorwärtsgang wirkt wie ein harter Schlag in die Fresse, mit dem das Projekt definitiv zur Band aufsteigt. Gerade noch döste man zu den Wohlklängen von "Blackfield" und "Blackfield II" ein, denen ein Album namens "III" eine nahtlose Verlängerung beigefügt hätte, da erfolgt mit Hinweis auf die eigenen Wurzeln der schallende Schlag – keine Frage, die Aufmerksamkeit ist wieder da.

Und doch ist das musikalische Resultat eine zwiespältige Angelegenheit. So eindeutig das Songwriting verteilt ist – 10:1 für Geffen – so uneinheitlich klingt das Album. Mit "Waving", seinem einzigen Beitrag, knüpft Steven Wilson direkt an die Britpop-Phase seiner Hauptbeschäftigung an – der Identitätsverlust nimmt seinen Anfang. Geffen wiederum haut alles Mögliche rein: BEATLES-Anleihen, symphonischen Kitsch, klassisches Gitarren- und Pianoballadenmaterial und mit Härte angereicherte, enorme Stilbrüche. Momente der gefühlten Perfektion, wie man sie von Songs wie "Pain" oder "1,000 People" kennt, bleiben aus. Und trotzdem können oder wollen die beiden Songwriter nicht ganz aus ihrer Haut. Fast alles klingt am Ende doch nach BLACKFIELD, weil all die Stilbrüche, mit denen das Album provoziert, Stilbrüche lediglich im BLACKFIELD-Kontext sind.

FAZIT: Eine Geffen-Wilson-Injektion wie ein Pistolenschuss im prall gefüllten Theatersaal. Inhaltlich mit Sicherheit das interessanteste Album, musikalisch zumindest durchwachsen, weil zwar der Mut zum Risiko gesucht wird, die alles entscheidende Frage aber lautet: möchte man von BLACKFIELD überhaupt Mut zum Risiko sehen? Vielleicht nicht ganz auf diese Art. Die Instant-Ohrwürmer jedenfalls sind ausgestorben. Einige Stücke beginnen nach ein paar Durchläufen bereits zu wachsen wie ein guter alter Song von PORCUPINE TREE – woran nichts auszusetzen wäre, wenn die Stücke von "Welcome To My DNA" nicht am Ende doch noch unbedingt gerne BLACKFIELD wären. Ein Wachruf, und dann? Ruinen alter und maximal Grundgerüste neuer Bauten…

Sascha Ganser (Info) (Review 8456x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Wertung: 8 von 15 Punkten [?]
8 Punkte
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Tracklist:
  • Glass House
  • Go To Hell
  • Rising Of The Tide
  • Waving
  • Far Away
  • Dissolving With The Night
  • Blood
  • On The Plane
  • Oxygen
  • Zigota
  • DNA

Besetzung:

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Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Jochen [musikreviews.de]
gepostet am: 08.04.2011

User-Wertung:
11 Punkte

Sehr schöne Rezension, lieber Sascha, trotzdem ein kleines Veto. Ich halte "Welcome To My DNA" für gar nicht so revolutionär anders als die beiden Vorgänger, sondern schlicht für die opulente Weiterentwicklung des ätherischen BLACKFIELD-Sounds, garniert mit harschen Zwischentönen. Ein herzliches „fucked up generation“ gab es ja bereits beim Erstling an exponierter Stelle. So würde ich BLACKFIELD auch nicht als Projekt bezeichnen, sondern eher als ‚Aviv Geffen, gesehen durch die Augen Steven Wilsons‘. Man höre nur die Blaupause für BLACKFIELDs Schaffen „Memento Mori“ von AVIV GEFFEN & THE MISTAKES. Dort sind bereits verdammt viele Elemente vorhanden, die sich auch auf "Welcome To My DNA" wiederfinden lassen. „Zigota“, die englische Version von „Memento Moris“ heimlichem Hit, verweist ganz explizit darauf. Dabei haben Geffen und Wilson den Flirt mit Elektro-Pop sogar noch au(f)sgespart…
Sascha G. [Musikreviews.de]
gepostet am: 08.04.2011

Da ist ganz sicher was dran, deswegen bezog ich mich mit den Änderungen und Stilbrüchen auch nur auf die Oberfläche, während es im Inneren Blackfield bleibt. Dazu gehört auch der Begriff "Projekt", den ich in dem Sinne gebrauche, wie Blackfield in der Öffentlichkeit (jenseits von Israel) mitunter wahrgenommen wird; nicht, wie es sich wahrscheinlich tatsächlich abspielt.
Oger [musikreviews.de]
gepostet am: 10.04.2011

User-Wertung:
12 Punkte

Ruhiger, aber keinesfalls schlechter als der Vorgänger. Mit "Glass House", "Rising of the Tide", "Blood, "On the Plane" oder das Titelstück sind wieder ganz große Ohrenschmeichler dabei. Klasse-Album.
Sascha G. [Musikreviews.de]
gepostet am: 11.04.2011

Du findest das ruhiger als "II"? Wie unterschiedlich die Eindrücke sein können... alleine das pfeffrige "Blood" hat doch mehr Rock intus als alles, was Blackfield vorher gemacht haben. Auch sonst habe ich es als wesentlich lebhafter empfunden als die Vorgängeralben, die eher Lullaby-Charakter hatten.

Davon abgesehen bleibe ich zwar tendenziell bei meiner Argumentation, dennoch hat meine Bemerkung "Einige Stücke beginnen nach ein paar Durchläufen bereits zu wachsen wie ein guter alter Song von PORCUPINE TREE" an Dominanz gewonnen. Mit anderen Worten: ich muss kleinlaut noch mindestens ein Pünktchen, wenn nicht zwei, auf meine Wertung draufschlagen. Erstaunlich, dass ich gedacht habe, dass 15 Durchläufe erst mal reichen würden für ein halbwegs gereiftes Urteil.
Jon
gepostet am: 01.10.2011

Bei mir hat sie keinen guten Eindruck hinterlassen. Dort, wo die Herzschmerz-Melodien sein sollten, quillt alles über vor Kitsch und wo auch mal Power in der Bude steckt, übertreibt man es sofort mit Plattitüden.

Ne, das war nichts.
Thomas
gepostet am: 07.05.2013

User-Wertung:
8 Punkte

Da schließe ich mich doch klar dem Urteil von Jon an: das war nix; die Blackfield I gefällt mir sehr gut; die II ist nur ein lauer Aufguss und das Werk hier hinterlässt nur ein Gähnen
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
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